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Ringwelten: Ein fantastisches ALMA-Bild eines entstehenden Planetensystems und Staubringe in einem Doppelsternsystem

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Zur Zeit liegt die Aufmerksamkeit der Weltraum-Fans ja ganz bei der bevorstehenden Landung der Raumsonde Philae auf einem Kometen und auch ich habe mich hier im Blog ausführlich damit beschäftigt und werde das in den nächsten Tagen auch weiterhin tun. Aber trotz der spektakulären Mission der Europäischen Weltraumagentur wird anderswo weiterhin Wissenschaft betrieben und die ist mindestens ebenso spektakulär. Besonders das ALMA-Observatorium der Europäischen Südsternwarte hat in den letzten Tagen höchst beeindruckende Bilder gemacht.

Seht euch zum Beispiel dieses Bild an:

Das ist keine künstlerische Darstellung sondern eine reale Aufnahme der Umgebung des Sterns HL Tauri. Es ist allerdings kein Bild, das wir so auch mit unseren eigenen Augen sehen könnten, denn das ALMA-Observatorium beobachtet Millimeter und Submillimeterwellen. Dieser Bereich des elektromagnetischen Spektrums, der Licht mit Wellenlängen umfasst, die ein wenig länger sind als die des sichtbaren und des Infrarotlichts sind besonders interessant, wenn man auf der Suche nach kosmischen Gas- und Staubwolken sind. Die kleinen Teilchen werden vom Licht des Sterns aufgeheizt und geben die Energie dann unter anderem in Form der von ALMA beobachtbaren Strahlung ab. Und genau das ist es auch, was man auf dem Bild sehen kann: Staub, der den jungen Stern umgibt.

Staubscheiben bei anderen Sternen sind keine neue Entdeckung. Die erste fand man schon 1984 und seitdem hat man solche Scheiben bei vielen Sternen entdeckt. Und der Staub ist deswegen so interessant, weil daraus Planeten entstehen können. Da wo es Staub gibt, muss es früher oder später auch Planeten geben und deren Anwesenheit beeinflusst die Verteilung des Staubs. Ihre Gravitationskraft erzeugt Lücken in der Scheibe und diese Daten kann man nutzen, um auf die Existenz von Himmelskörpern zu schließen, die man sonst nicht sehen kann.

Ich habe früher selbst auf diesem Gebiet gearbeitet und zum Beispiel die Verteilung des Staubs um den Stern Beta Pictoris genutzt um auf die Existenz von bis zu drei Planeten zu schließen. Staubscheiben sind also an sich keine große Neuigkeit. Aber noch nie zuvor konnte man sie in so enorm großer Auflösung beobachten! Die Strukturen, die man auf dem Bild erkennen kann, sind nur 5 Astronomische Einheiten groß. Gut, das ist immer noch der fünffache Abstand zwischen Erde und Sonne – aber einerseits ist HL Tauri immerhin 450 Lichtjahre von der Erde weit weg und andererseits ist es um so schwerer, eine niedrige Auflösung zu erreichen, je größer die Wellenlänge ist, bei der man beobachtet. Das Bild von ALMA ist bei weitem das beste, was man bisher machen konnte und es ist wirklich sehr beeindruckend.

Man erkennt ganz deutlich die Lücken im Staub, die eigentlich nur durch in Entstehung begriffene Planeten verursacht werden können. Und es ist überraschend, dass diese Lücken schon so deutlich zu erkennen sind. Der Stern ist erst eine Million Jahre alt und in diesem zarten Alter hat man bisher noch nicht mit Planetenentstehung gerechnet. Eine genaue Untersuchung steht zwar noch aus, aber es scheint, als könne die Entstehung von Planeten durchaus schneller ablaufen, als man bisher gedacht hatte.

ALMA wird die Astronomie in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch weiter revolutionieren. Die Anlange ist noch neu und Bilder wie das von HL Tauri sind die ersten, die man mit voller Leistungsfähigkeit gemacht hat. Das Array aus 66 Antennen die in der dünnen Wüstenluft 5000 Meter über dem Meeresspiegel auf dem chilenischen Chajnantor-Plateau stehen, wird in Zukunft regelmäßig solche Bilder machen. Und wir werden die Entstehung von Planeten immer besser verstehen…

Und es gibt noch jede Menge zu verstehen. Das zeigt eine andere aktuelle wissenschaftliche Arbeit, die ebenfalls auf Beobachtungen von ALMA basiert. Ein Team um Anne Dutrey von der Universität Bordeaux hat den Stern GG Tauri A beobachtet. Die Ausgangslage ist kompliziert: GG Tauri A bildet mit GG Tauri B ein Mehrfachsternsystem. Aber sowohl A als auch B sind keine Einzelsterne, sondern selbst Doppelsterne. Und kürzlich hat man entdeckt, dass einer der beiden Sterne des GG-Tauri-A-Systems auch ein Doppelstern ist. Um die Sache einfacher zu machen, ignorieren wie GG Tauri B jetzt einfach mal (der Abstand zu A ist sowieso so groß, dass kein relevanter Einfluss besteht) und beschäftigen uns nur mit GG Tauri A. Dieses System ist also aus drei Sternen zusammengesetzt: GG Tauri Aa ist knapp 36 Astronomische Einheiten (in etwa der Abstand zwischen Sonne und Pluto) von den beiden Sternen GG Tauri Ab1 und GG Tauri Ab2 entfernt, zwischen denen ein Abstand von 4,5 Astronomischen Einheiten (ein bisschen weniger als die Distanz zwischen Sonne und Jupiter) liegt.

Man wusste schon früher, dass es bei GG Tauri A eine Scheibe aus Staub gibt. Beziehungsweise zwei Scheiben: Das gesamte System aus Aa, Ab1 und Ab2 ist von einem Staubring umgeben; genau so wie die beiden Stern Ab1 und Ab2 selbst, die innerhalb eines kleineren Rings aus Staub liegen. Die Gesamtmasse des Staubs in diesem kleineren Ring ist ungefähr so groß wie die Masse des Planeten Jupiter und das ist ein Problem. Eigentlich sollte es diesen Ring gar nicht geben. Er liegt den beiden inneren Sternen so nahe, dass der ganze Staub schon längst durch ihren Einfluss verschwunden sein hätte sollen. Das GG-Tauri-System ist zwar erst ein paar Millionen Jahre alt, aber das ist deutlich länger als die typische Lebensdauer von Staub in der Nähe eines Sterns.

Künstlerische Darstellung der Staubringe des Dreifachsystems von GG Tauri A (Bild: ESO/L. Calçada)

Künstlerische Darstellung der Staubringe des Dreifachsystems von GG Tauri A (Bild: ESO/L. Calçada)

Irgendwas muss also für ständigen Nachschub an Staub sorgen und Computersimulationen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass theoretisch Material vom großen äußeren Ring nach innen wandern kann. Aber dieser Prozess konnte bis jetzt noch nie in der Natur beobachtet werden. Bis jetzt. Anne Dutrey und ihre Kollegen haben ALMA auf GG Tauri gerichtet und das Riesenteleskop hat große Gaswolken entdeckt, die sich zwischen den beiden Ringen bewegen (“Planet formation in the young, low-mass multiple stellar system GGTau-A” pdf). Und wie ich oben schon gesagt habe: Wo Staub ist, da können auch Planeten sein!

Dass es in Doppel- bzw. Mehrfachsternsystemen Planeten geben kann und auch tatsächlich gibt ist schon länger bekannt. Aber Beobachtungen wie die bei GG Tauri zeigen, wie komplex die Dinge in der Realität sein können. Die Interaktion zwischen den Staubringen kann Baumaterial auch an Orte transportieren, wo man bisher nicht mit dessen Existenz gerechnet hat. Damit könnten auch Planeten in Regionen entstehen, wo man bisher von Planetenentstehung nicht ausgegangen ist.

Je besser unser Blick hinaus ins All wird, desto komplexer wird das, was wir dort sehen. ALMAs Beobachtungen werden auch in Zukunft jede Menge neue Fragen aufwerfen. Aber wir werden auch Antworten finden! Und unterwegs jede Menge tolle Bilder zu sehen kriegen…

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